Deutsche Investoren suchen Wohnprojekte in Österreich
Neue Wohnprojekte? Das lässt neuerdings besonders Deutsche aufhorchen. Das Problem: Die Nachfrage ist grösser als das Angebot.
„Österreich ist aktuell das bessere Deutschland“, brachte Franz Pöltl, Investmentchef bei EHL Immobilien, die derzeitige Immobiliensituation kürzlich auf den Punkt. Für die internationale Investorengemeinschaft sei Deutschland zwar noch immer erste Wahl, doch aufgrund des knappen Angebots und der hohen Preise bei unseren Nachbarn, gewännen österreichische Immobilien zunehmend an Attraktivität. Schließlich grenzt Österreich nicht nur direkt an Deutschland, sondern bietet auch eine hohe Rechtssicherheit und wirtschaftliche Stabilität.
Vor allem aber ist Österreich aufgrund seiner attraktiven Preise und seiner entsprechend hohen Renditen von großem Interesse für ausländische Investoren. Im oberen Marktsegment haben sich die Wohnungspreise zwar auf einem hohen, aber für deutsche Verhältnisse immer noch attraktiven Niveau eingependelt. Natürlich treibt die anhaltend hohe Nachfrage auch in Österreich die Preise in die Höhe, doch noch steht unser Land vergleichsweise gut da.
Deutsche fokussieren neu auf die Assetklasse Wohnen
Und so boomt der Wohnimmobilienmarkt hierzulande. Der kürzlich publizierte Deloitte Property Index offenbart für das Jahr 2017 ein rekordverdächtiges Transaktionsvolumen von 10 Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr 2017 wurden gemäß dem Immobiliendienstleister CBRE 2,5 Milliarden Euro in Immobilien in Österreich investiert. Im ersten Semester 2018 wurden zwar 200 Millionen Euro weniger investiert, doch der Grund liegt laut CBRE allein am mangelnden Angebot an Core-Immobilien in der Assetklasse Büro, also vorwiegend gewerblich genutzten Bestandsobjekten an Top-Standorten.
Bei den Investments haben zwar noch immer die Österreicher klar die Überhand. Über die Hälfte (52 Prozent) wurden von Landsleuten getätigt, die Deutschen folgten mit 39 Prozent. Doch Letztere haben sich bereits eine neue Strategie zurechtgelegt: Sie fokussieren sich neu auf die Assetklasse Wohnen und interessieren sich auch für Objekte in mittleren Größen zwischen 20 und 50 Millionen Euro, wie Pöltl erklärt. Das anhaltende Bevölkerungswachstum vor allem in den städtischen Gebieten mache Wohnbauten attraktiv. Und an Neubauprojekten in diesem Sektor mangle es derzeit nicht – Österreich ist beim Neubau von Wohnungen absoluter Spitzenreiter in Europa: 2017 wurde hierzulande der Bau von 8,6 Wohnungen pro 1000 Einwohner initiiert. Auf Platz zwei folgte mit rechtem Abstand Frankreich mit 6,4 geplanten Wohnungen, Bronze ging an Polen mit 5,4 Wohnbauvorhaben. In Italien wurden lediglich 0,9 Wohnungen pro 1000 Einwohner geplant – damit bildet das Mittelmeerland das Schlusslicht.
Deutsche haben es auf Neubauprojekte abgesehen
Am interessantesten für deutsche Investoren ist nach wie vor Wien. Denn auch wenn Wohnraum in Städten wesentlich teurer ist als auf dem Land, ist Wien (durchschnittlicher Quadratmeter-Preis 4138 Euro) im Vergleich zur bayerischen Landeshauptstadt München immer noch erschwinglich: Dort kostete ein Quadratmeter 7500 Euro – europaweit Platz drei. Doch auch andere Landeshauptstädte wie Linz, Graz oder Innsbruck gewinnen für deutsche Investoren an Attraktivität. Auf diese Weise würden lokale Investoren zwar teilweise verdrängt, so Pöltl, doch es spiele für Österreichs Wirtschaft keine Rolle, „ob eine deutsche oder österreichische Versicherung oder Pensionskasse das Haus kauft“. Inzwischen sei es sogar möglich ein Projekt zu verkaufen, bevor eine Baubewilligung vorliege – So geschehen im Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof.
Deutsche Investoren fokussieren sich fast ausschließlich auf Neubauprojekte. Die Kölner Immobilien-Projektentwicklungs- und Investmentgesellschaft Art-Invest Real Estate kaufte im vergangenen Frühjahr für einen Wohnungsspezialfonds eines institutionellen Investors fünf der zehn Bauteile des Wiener Projekts „Das Ensemble“.
Doch natürlich sind nach wie vor auch Gewerbeimmobilien heiß begehrt: 16 der 25 größten Immobilientransaktionen gingen in den vergangenen 18 Monaten an internationale Investoren. Bei den beiden Top-Deals machten Deutsche dabei das Rennen: Den Zuschlag für den Geschäftsstandort Austria Campus in der Wiener Leopoldstadt erhielt das Immobilienunternehmen PGIM Real Estate, der Bürokomplex The Icon im vierten Wiener Bezirk ging an den Versicherungskonzern Allianz. Und auch der deutsche Fondsriese Commerz Real der bereits 150 Millionen Euro in Österreich investiert hat, unter anderem mit dem Bau des DC Tower 2 in der Wiener Donau-City, ist weiterhin auf der Suche nach Bestandsimmobilien.
Markt noch lange nicht ausgeschöpft
Vorteil der Deutschen im Vergleich zu Investoren aus Korea oder Südafrika: die geografische Lage. Denn: „Je größer der Abstand zum Standort des Investors ist, umso größer müssen die Volumina sein“, erklärt Pöltl. Und Objekte, mit denen sich ein dreistelliger Millionenbetrag erzielen lässt, gebe es in Wien derzeit kaum.
Dank des boomenden Onlinehandels schielen ausländische Investoren auch auf Logistikimmobilien. In Österreich sei dieser Markt allerdings noch unterentwickelt. In diesem Bereich werde sich in den nächsten Jahren viel tun. Möglich, dass dann das Investmentvolumen von 2017 – 4,1 Milliarden Euro – übertroffen wird. Für dieses Jahr sind die Experten eher zurückhaltend mit den Prognosen.