Schneller Preisanstieg der Gründerzeithäuser: kein Ende in Sicht
Die Gründerzeit prägt Wien bis heute. Auf die Jahre der Stagnation nach dem Börsencrash von 1873 folgt ein Boom, der die Stadt zur Mega-Metropole macht. Binnen drei Jahrzehnten verdreifacht sich die Zahl ihrer Bewohner. 1910 wohnen schon mehr als zwei Millionen Menschen hier. Wien zählt nun zu den Top 5 der Metropolen in der Welt.
Die Preisspirale dreht sich weiter
Zum architektonischen Erbe dieser Zeit zählen die prunkvollen Gründerzeithäuser, die heute begehrter sind denn je und für viel Geld ihre Besitzer wechseln. Es ist ein Milliardenmarkt, denn in den Prachtbauten lässt sich nicht nur trefflich logieren, sondern auch Geld für die Zukunft „lagern“. Wurden viele der Zinshäuser von Spekulanten erbaut, so profitieren heute – mehr als ein Jahrhundert später – nun neue Investoren-Generationen.
Manche Zahlen verursachen beim Lesen ein gewisses Gefühl des Schwindels, denn die Höhe der Verkaufspreise ist enorm, gerade innerhalb des Gürtels. Ein Beispiel über das das Wirtschaftsmagazin „Gewinn“ berichtet ist der Rainer-Hof im 4. Bezirk. Keine drei Jahre nach dem Einstieg 2015 hat CA Immo das 6000-qm-Gebäude für ein Plus von mehr als acht Millionen Euro wieder veräußert: Einkaufswert 16,5 Millionen Euro, Verkaufswert 25 Millionen. Da werden selbst renditeverwöhnte Anleger ein wenig nervös.
Gewinn auf Kosten der Bausubstanz
Wie zukunftssicher die Investition in Zinshäuser wirklich ist, bleibt indes umstritten. Verspekulieren kann man sich wohl dennoch kaum, denn die Schätzungen bei der Höhe künftiger Renditen gehen zwar auseinander, über Verluste redet hier aber niemand. Mancher Immobilienexperte rechnet für die kommenden Jahre mit einer Stagnation auf hohem Niveau, was gerade angesichts mangelnder Alternativen noch immer ein gutes Geschäft verheißt.
Der problematischste Punkt am Spekulationsobjekt Gründerzeithaus bleibt: Dringend notwendige Sanierungsarbeiten sind oft auf ein Mindestmaß beschränkt. Diese Form der Gewinnmaximierung macht die Bausubstanz aber nicht lange mit. So kommt es in den Wiener Außenbezirken, wo schon damals günstiger gebaut wurde, durchaus vor, dass der Zahn der Zeit Gebäude peu à peu oder gar mit lautem Rumms zum Einsturz bringt. Ein Wunder ist das nicht, wird die „wartungsfreie“ Lebensdauer dieser Gemäuer (die oft auf Holzpfosten ruhen) doch nach rund 100 Jahren erreicht. Reihen-Verkäufe helfen da nicht.
Abriss statt Sanierung?
Um dem Abriss von Gründerzeithäusern einen Riegel vorzuschieben – der Neubau ist für Investoren oft günstiger als die Sanierung – wurde inzwischen auch die Bauverordnung für Wien geändert. Wer abreißen will, braucht seit Juli 2018 eine Genehmigung. Planungsstadträtin Maria Vassilakou von den Grünen spricht in diesem Zusammenhang im ORF von einem „Wettlauf gegen die Zeit“.
Die Wirtschaftskammer Wien, WKO, hat sich dagegen bereits skeptisch zu dem städtischen „Abrissverbot“ geäußert. Hier befürchtet man, dass die Neuregelung zu einem „Komplettverfall“ der Gebäude führt. Gefordert werden stattdessen starke Sanierungsanreize.
Rares „Wiener Gold“
All das ändert nichts an der Tatsache, dass der Markt mit Gründerzeit-Immobilien boomt. Knapp 15.000 dieser Gebäude gibt es noch in Wien und der Bestand am „Wiener Gold“ ist nicht nur begrenzt, sondern rückläufig. Gerade Unternehmen scheinen am Einstieg interessiert, wie die jüngsten Erhebungen von Otto-Immobilien nahelegen. Die Wiener Experten gehen davon aus, dass zwei Drittel aller Käufe bei Gründerzeithäusern über das Konto von Firmen laufen. Bei den Verkäufern ist der Anteil der Privateigentümer dagegen weit höher, die hier die Kasse füllen können. Der Trend dürfte die Eigentumsverhältnisse nachhaltig verschieben.
Nachfrage auch jenseits von Wien hoch
Auch wenn Wien sich einmal mehr in den Vordergrund drängt, so ist der Begehr nach den Zinshäusern doch keineswegs auf die Hauptstadt beschränkt. Blickt man beispielsweise nach Graz, findet man eine vergleichbare Situation. Auch Graz wächst, rund zehn Prozent mehr Bewohner könnten es in den kommenden zehn Jahren sein. Und auch hier wiegt man die raren historischen Quadratmeter inzwischen mit Gold auf. Quadratmeterpreise von 4.000 Euro für Immobilien in bester Lage sind durchaus drin, was zahlungskräftige Investoren nicht abschreckt. Wohl dem, der eine schöne Gründerzeitvilla sein Eigen nennt.