Wohnungssuchende und Gemeinden erhalten in Tirol künftig ein Vorkaufsrecht
Zukünftig soll man einen „unmittelbaren Wohnzweck“ vorweisen müssen, um im Bundesland Tirol Immobilien kaufen zu dürfen. Wohnungssuchende, gemeinnützige Bauträger und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht sowohl für Grund und Boden als auch für Häuser und Wohnungen genießen.
In die Röhre gucken demnächst die Besitzer der derzeit rund 16.200 Ferienwohnsitze: Sie müssen bei Annahme der neuen Regierungsvorlage neben der Freizeitwohnsitzpauschale an den örtlichen Tourismusverband auch eine Zweitwohnsitzabgabe an die Gemeinden entrichten. Auf diese Weise sollen jährlich mehrere Millionen Euro in die Kasse der Gemeinden gespült werden. Die Höhe der Abgabe ist an die Wohnnutzfläche und den Verkehrswert der jeweiligen Immobilie gekoppelt.
Unmittelbarer Wohnzweck als Hauptkriterium
Die Landesregierung möchte darüber hinaus die Anzahl an Ferienwohnsitzen beschränken: Sie plant eine Sonderflächenkategorie für Chaletdörfer mit besonderem Augenmerk auf den Bodenverbrauch, das Landschaftsbild und die Bettenanzahl.
Doch damit nicht genug. Auch Vermietern von Ferienwohnungen soll es künftig finanziell an den Kragen gehen. Im Visier hat die Tiroler Landesregierung dabei vor allem Vermieter, die ihre Wohnungen nur kurzzeitig anbieten. Das Vermieten über Portale wie Airbnb soll melde- und abgabepflichtig werden.
Gegen Spekulation und Großgrundbesitz
Gleichzeitig wird mit der neuen Gesetzesvorlage Spekulationen ein Riegel vorgeschoben. Wer keinen unmittelbaren Wohnzweck nachweisen kann, rutscht im Rahmen des so genannten Interessentenmodells an untere Stelle: Bekundet jemand ohne Wohnbedarf Interesse, haben Wohnungssuchende, gemeinnützige Bauträger und Gemeinden erst einmal ein Vorkaufsrecht. Findet sich kein alternativer Erwerber, kann die Immobilie frei verkauft werden. Sollte das Interessentenmodell nicht anschlagen und die Grundpreise nicht zum Sinken bringen, werden noch strengere Regelungen angedacht.
Auch Großgrundbesitz und Spekulation im landwirtschaftlichen Grundverkehr (Freiland) soll verhindert werden: Das Kriterium der Selbstbewirtschaftung wird wiedereingeführt. Der Kauf von landwirtschaftlichen Flächen durch Gesellschaften soll dadurch vermieden und der Erhalt der kleinbetrieblichen Agrarstruktur unterstützt werden. Dazu kommen Erwerbsobergrenzen, um unternehmerischen Großgrundbesitz abzuwehren.
Befristete Baulandwidmungen
Neben dem erschwerten Kauf von Bauland und Immobilien sowie der strikteren Handhabung bei Kurzzeitvermietungen sieht die neue Regierungsvorlage befristete Widmungen für Bauland vor: Die Nutzung eines Grundstücks, deren Angabe für die Erteilung einer Baubewilligung unabdingbar ist, soll auf zehn Jahre beschränkt werden. Sprich: Nach Verstreichen eines jeden Jahrzehnts soll der Gemeinderat entscheiden dürfen, ob die Widmung verlängert wird oder ob gegebenenfalls eine Rückwidmung in Freiland möglich ist. Auf diese Weise soll Bauland mobilisiert werden.
Die Gesetzgebung zur örtlichen Raumplanung und zu den damit verbundenen Flächenwidmungsplänen liegt bekanntlich in der Kompetenz der Länder. In Tirol stellt der Flächenwidmungsplan als zweite Stufe der Raumordnung ein entscheidendes Instrument dar, um für alle Grundflächen des Gemeindegebietes den Verwendungszweck festzulegen. Die Verwendung lässt sich in vier Hauptgruppen einteilen: Bauland (Wohnland, Gewerbe- und Industriegebiet, Mischgebiete), Sonderflächen, Verkehrsflächen und Freiland (unterliegen einem fast gänzlichen Bauverbot).
Förderung von Wohnbau
Neben der Befristung von Baulandwidmungen werden die Gemeinden neu verpflichtet, Mindestanteile für den geförderten Wohnbau vorzusehen. Die Höhe dieses Anteils richtet sich dabei nach der Struktur der Gemeinde, deren Möglichkeit zur räumlichen Weiterentwicklung und dem Bedarf an sozialem Wohnbau. Letzteren legt die Gemeinde fest.
Die Wohnbauförderung ist ein Steuerungsinstrument für viele gesellschaftspolitische Bereiche. Ihr Ziel ist es, der Bevölkerung bedarfsgerechten und leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Wohnbauförderung bietet dazu verschiedene Förderungsmöglichkeiten in Form von Krediten, Zuschüssen oder Beihilfen an.
Fazit
Mit dem umfassenden Reformpaket soll das Koalitionsversprechen der schwarz-grünen Landesregierung, der Bau von 12.000 Sozialwohnungen bis 2023, umgesetzt werden. Doch so einfach ist das Vorhaben nicht: Die Bodengesetze des Landes sind ein Tauziehen zwischen den Interessen Tirols und jener der EU. Seit Österreichs EU-Beitritt vor 24 Jahren musste Tirol die Regelungen in Bezug auf den Immobilienverkauf immer wieder lockern und auch der landwirtschaftliche Grundverkehr wurde geöffnet. Doch weil immer mehr Immobilien zu reinen Anlagezwecken oder als Freizeitwohnsitze gekauft wurden, besteht nun massiver Handlungsbedarf. Dem soll durch das neue Stufenmodell Abhilfe geschafft werden.